Aus einem Ateliergespräch
(1996)
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S.P.: „[...]habe ich das Krankenhaus eigentlich immer
schon als eine große Werkstatt angesehen. Faktoren, die zu einer Erkrankung
geführt haben, waren mir dabei relativ egal. Jemand, mit welcher Erkrankung
auch immer, erscheint und wird in ein großes, geschlossenes System
aufgenommen. Dazu reichen zunächst die Angaben der Personalien. Dann geht es
los: Zimmerzuweisung (Platz im System), Messen einiger Körperfunktionen,
Untersuchen von Körpermaterial. Dann eine erste Vis-a-Vis-Einschätzung
(grobes Raster). Diese führt zu einer Behandlung, die ihrerseits wiederum
nach einem Schema ausgewählt wird. Medikamente werden verabreicht –
Krankengymnastik wird verordnet. Bei ausbleibendem Erfolg muss
möglicherweise manuell nachgeholfen werden: Operation. Danach gibt es
wiederum ein standardisiertes Programm: Wundbehandlung, Mobilisation,
Weitervermittlung (Anschlussheilbehandlung) etc.
Das Verblüffende dabei ist – es gibt keine Stagnation,
kein Stocken. Hilft das eine nicht, wird das nächste probiert – und so fort.
Dabei hat jedes Element (Angestellter) seinen fest zugewiesenen Platz mit
(relativ) klar definiertem Handlungsspielraum.
Nicht weniger faszinierend: die medizinische Hardware. Es
gibt eigentlich nichts, wofür es nicht auch ein spezielles Gerät gibt, einen
Gegenstand, der genau diese eine Funktion erfüllt (selbstverständlich nach
einer bestimmten DIN-Norm).
Mit anderen Worten – es wird so gut wie gar nicht
improvisiert. Man möchte in diesem Handwerk (Medizin) die Fehlerquote
verständlicherweise so gering wie möglich halten, erst recht bei einem so
wertvollen Werkstoff wie dem Menschen.
Dabei wird dem Werkzeug so gut wie keine Aufmerksamkeit
geschenkt. Welcher Arzt denkt schon nach über die Ästhetik einer
Einwegspritze? [...] Was wäre, wenn man den medizinisch-technischen Nutzen
der Gerätschaften außer Acht ließe und sie in erster Linie ihrer
ästhetischen und funktionalen Möglichkeiten nach einsetzte? Dabei habe ich
alle denkbaren Funktionen im Blick, nicht nur die den Gegenständen
zugedachte. Ein riesiges Baukastenprinzip. Die Konstruktion der Objekte
ergibt sich zunächst aus der Passgenauigkeit und der Kombinierbarkeit
einzelner Elemente. Durch unkonventionelles Verarbeiten erfährt die
gewünschte Perfektion der Produkte allerdings auch eine Brechung.
Eine weitere, nicht minder interessante Fragestellung ist
die nach der Ästhetik. In die Medizin wird meistens alles
biologisch-organische durch etwas syntetisch-mechanisches ersetzt. Ein
künstliches Gelenk ist nicht aus Knochen, Knorpel etc. geschaffen, sondern
aus Metall und Kunststoff. Dabei ist nicht die Optik, sondern die Funktion
von Interesse. Doch wie ist es um die Ästhetik dieser Ersatzteile bestellt?
[...]
Mein Interesse kreist immer wieder um Herstellung von
neuen Ordnungen und Zusammenhängen. Ich versuche zu vernetzen. Leitungen,
Röhren und Schläuche sind die Verbindungskanäle in diesem System.“