Zusammenhänge-zusammengehängt (1995) Bernhard Balkenhol 

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Für die Entstehung dieser Arbeit hat sich Stephan Preuß in einem Atelier-Raum eingenistet und sich dort ein Forschungslabor aufgebaut, das sich nach und nach zu einem künstlerischen Environment auswuchs. Aus mehr als 100 alltäglichen Gegenständen, vorgefundenen Objekten und einfachen Materialien bestand seine „Kuriositätenkammer“, von der Stecknadel über Dachlatten bis hin zum Handstaubsauger. In seinen schriftlichen Ausführungen zitiert er H. Heißenbüttel. „Das nicht Beendbare nicht beenden“ und erläutert und rechtfertigt so sehr doppeldeutig seine Installation.

 

Sein Arbeits- und Forschungsansatz ist so einfach wie überzeugend. Zunächst legte er sich einen festen Vorrat, ein Depot aus relativ beliebigen und teilweise vor Ort gefundenen Gegenständen an. Er untersucht die Gegenstände nach ihren immanenten materialen, formalen, strukturellen, funktionalen, bedeutungs- und werthaften Dimensionen, löst die Verbindungen zwischen diesen Aspekten und ordnet sie entweder innerhalb oder nach außen gerichtet neu zu. So diskutiert er anschaulich, was zusammen hängt, indem er es aus dem Zusammenhang reißt und in neue Zusammenhänge setzt. „Zusammenhänge – zusammengehängt“ ist also nicht nur sein Thema sonder auch sein Programm.

 

Er hat verschiedenste Methoden entwickelt, dieses Doppelleben der Gegenstände zwischen Eigenstruktur, Eigenbedeutung und Kontextstruktur, Kontextbedeutung herzustellen: von der Zuordnung oder Reihung über die Demontage oder Collage bis hin zur Simulation und zu modellhaften Aufbauten. Immer aber geht es ihm um das System der Dinge, um die Verflüssigung der Zusammenhänge durch wechselnd systemische Ordnungen. Die ausgestellte Installation bestand schließlich aus einer Vielzahl von solchen „Versuchsanordnungen“, die einzeln, untereinander und als Ganzes Zusammenhänge offenkundig machten und wieder auflösten.

 

Die Arbeit zu betrachten und zu lesen ist ein immer wieder neues Vergnügen, zumal es keine Chronologie gibt, man sich von Feld zu Feld vorlesen, vorsehen kann, man wie in einem Computer ein ganzes Programm hat und neue Optionen anklicken kann, sich Makros schreiben kann, die alles wieder verändern usw. Der Betrachter wird angesichts solcher verblüffender Möglichkeiten in kombinatorische Bewegung versetzt und muss geistig – wie tatsächlich schmunzeln. Es ist in der Hauptsache die Leichtigkeit dieses Verfahrens und die offenkundig entstehende Freiheit in der Wahrnehmung und im Denken, die dafür verantwortlich sind – neben dem ästhetischen Spiel, der Persiflage, dem Witz und der Provokation, den die unvermuteten Zusammenhänge bewirken.

Bereits während der Arbeit sind „schriftliche Erläuterungen“ in einem Aktenordner als Sammlung von Aufzeichnungen, Plänen, Lageskizzen, Ideenzeichnungen etc. entstanden, die dann aber so sehr in den Prozess eingeflossen sind, dass sie zu einem Bestandteil des Environments wurden.

 

Nach Anhalten des Forschungsprozesses in der „Installation als Momentaufnahme“ setzt er seine Methode fort in einem begeleitenden und erläuternden Heft, das dadurch selbst wieder zu einer solchen künstlerischen Arbeit geworden ist. Der gesamte Text und die Bilder, bis hin zu einem herausgenommen exemplarischen Beispiel „Der Stuhl“ werden gedanklich wie gestalterisch systematisch behandelt. So werden intelligent, witzig und interessant – darüber hinaus außerordentlich gut gestaltet – auf ein Neues Zusammenhänge zusammengehängt.

 

 

 

die gegenstände

 

1 akkubohrschrauber, 1 alluminiumkoffer, 1 anspitzer, 1 besen,

blaue farbe, 1 bügeleisen, ca. 1 ,5 m maschendraht, coca-cola,

4 diaboxen, 1 3-er stecker, 1 dusche ohne amaturen, einige

meter ungehobelte leisten, einige winkel, 1 elektrisches

kinderspielzeug (autoskooter), fineliner, 1 fliegenklatsche,

frischhaltefolie, 1 gabel, 1 garderobe, 1 geodreieck, 1 glas,

1 glas instantkaffee, 5 glasplatten, 3 glühbirnen, 8 hängelampen,

1 handstaubsauger, 1 hammerkopf, 1 hammerstiel, 9 hohlraumdübel,

1 holzstück mit gewinde und mutter, 1 kabel mit lampenfassung,

1 kabeltrommel, 1 kästchen eisbärnadeln, 1 kaffeemaschine,

1 kamerastativ, 1 kassettenrekorder, 1 kasten buntstifte, 1 kiste aus

pressspan, 5 knäuel schnüre, 1 kühlschrank, 1 laborklammer,

2 lampengitter, 1 leuchtstoffröhre, 1 lineal, 1 locher, 1 lockenperücke,

1 löffel, 1 maßband, mehrere pappen, 20 m stahlseil,

mineralwasser, 1 möbeltransportbrett mit vier rollen, papier (din a 4 u.

din a 3), 147 papierhandtücher, 1 plastikeimer, 1 plastiktüte,

1 photokoffer, phototaschen, 1 pinsel, ,1 pocketkamera,

1 polaroidkamera incl. filme, 1 postkarte,1 post it zettelblock,

3 pressspanplatten, 1 primel, 1 pritt-stiff, 1 puppenbein, 1 pvc-rohrset,

28 m graue filzpappe, 1 rolle absperrband, 1 rolle

kreppband, 1 rolle rotes nahtband, 1 saftpresse,

1 schere, 1 schlüsselanhänger (lisa simpson), 1 spachtel,

2 spiegel, 1 spiegelreflexkamera, 1 spiritusflasche, 19 stühle, 1 taschenuhr,

3 tassen, 5 tische, 1 trichter, 1 tube fixogum, 9 unterlegscheiben,

2 untertassen, 1 verlängerungskabel, 3 wäscheklammern, 1 walkman,

1 walze, 1 weckglasgummi, weiße wandfarbe, 1 werkstück aus holz

mit scharnieren, 1 werkzeugkoffer mit verschiedenstem werkzeug,

zahlreiche diafilme "a 36 aufnahmen, 1 zinkblechmülleimer,

1 zinkblechröhre, 1 zirkel, 1 zollstock

 

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